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Ich bin auf der Elbinsel Veddel aufgewachsen. Als Sonntagskind war mir sicherlich schon von vornherein eine glückliche Kindheit beschieden.

Meine Kindheit auf der Veddel
Aufgeschrieben von Gehrd Fahl

Ich, Gehrd Hans Fahl, geboren am 29.07. 1928 zu Hamburg, bin auf der Elbinsel Veddel aufgewachsen. Als Sonntagskind war mir sicherlich  schon von vornherein  eine glückliche Kindheit beschieden. Am 29. Juli 1928 gegen 23.30 Uhr und an einem  Sonntag dazu, kam ich  zur Welt. Über die näheren Umstände der Feierlichkeiten anlässlich meiner Geburt weiß ich nur bruchstückhaft etwas. Trotz der geringen Mittel soll es sehr mecklenburgisch zugegangen sein.
Wie wir zu der Wohnung Tunnelstraße Nr. 7 im 3. Stock auf der Veddel gekommen sind, weiß ich nur unvollkommen. Da Vater Hans in der Polizeikaserne auf der Veddel einen Großteil seiner Kasernenzeit verbracht hatte, ist nicht auszuschließen, dass er von dieser freien Wohnung  irgendwie  gehört hat. Jedenfalls haben meine Eltern die Wohnung möbliert gemietet. Die Mieter dieser Wohnung waren nach Amerika  „gegangen“, wie es wohl damals so im Volksmund hieß. Es waren keine Juden und eine Flucht zu diesem Zeitpunkt aus diesem oder einem anderen politischen Grund ausgeschlossen. Mein Erinnerungsvermögen setzt ungefähr ein zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr.
Ich versuche nun einmal das Haus und seine Einwohner, soweit sie mir noch in Erinnerung sind, zu beschreiben. Der Hauseigentümer hieß Rüger und betrieb im  Parterre eine Bäckerei. Die Backstube war im Souterrain. Unser Treppenhauseingang war über ca. 8 breite Steinstufen zu erreichen. Es war mehr ein Aufgang. Aber von diesem Aufgang  ging auch noch der Eingang zu Emil Goosewinkels Schuhladen ab. Emil verkaufte hier Schuhe für Damen und Herren, Arbeitsschuhe und vor allen Dingen „Schandauer“. Über dem Laden von Emil war die Schusterwerkstatt, in welcher der Meister Emil und ein Geselle arbeiteten. Richtig noch so mit Schusterkugel und all den anderen  Dingen die in eine Schusterwerkstatt  der damaligen Zeit  gehörten. Zugang zur Werkstatt hatte man entweder durch den Laden über eine Treppe oder aber durch das Treppenhaus vom 1. Stock aus. Über dem Bäckerladen wohnte unser Hauswirt mit Familie und Dienstboten. Dafür fehlte im 1. Stock die Hinterwohnung. Im 2. Stock wohnten nach vorn heraus Herr Behrends und Frau Stölzner. Auch das gab es damals schon. Und Anstoß daran genommen hat auch schon damals keiner. Herr Behrends war Inspektor der Tschechischen Staatsreederei, einer Binnenschiffsreederei, die nach dem Versailler Vertrag ein eigenes Gebiet im Freihafen zur Wahrnehmung ihrer Handelsinteressen zugesprochen bekommen hatte. Frau Stölzner war mit einem Reichsbahnoberinspektor verheiratet. Der wohnte in Cuxhaven und wenn er zu Besuch kam, so sagte man jedenfalls hinter vorgehaltener Hand, schlief man auch zu dritt. Aber es waren sehr nette und reizende Menschen. Nicht unvermögend und immer hilfsbereit, kurzum sehr gute  Nachbarn. Die Hinterwohnung bewohnte Opa Guhl, ein Rentner der von seiner Tochter Therese betreut wurde. Zu gewissen Zeiten war diese Familie mit ihren zahlreichen Untergliederungen mein zweites Zuhause. Jedenfalls zu gewissen Tageszeiten. Aber darüber später mehr. Die andere Vorderwohnung bewohnte der Schuster Goosewinkel mit Familie. Im 3. Stockwerk in der linken Vorderwohnung wohnten letztendlich wir. Mit herrlichemBlick auf die Elbbrücken ( Entfernung ca. 15o m ), die Elbe und einen Teil von Hamburg und Rothenburgsort, sowie auf den Gasometer dort. Die Namen der beiden unmittelbaren Nachbarsfamilien sind mir nicht mehr gegenwärtig. Im 4. Stock wohnte einmal die Familie Brandt mit Tochter Ruth. Sie war älter als ich und ging schon zur Schule. Bei der zweiten Familie ist mir der Name ebenfalls entfallen. Aber ich weiß, dass es eine Familie mit einer naturverbundene Lebensweise war. Jetzt beim Schreiben fällt mir der Name schlagartig ein. Es war die Familie Krüger. Herr Krüger fuhr schon damals mit einem leichten Rennrad täglich zur Arbeit, trug „Jesuslatschen“ an den Füßen und das Fahrrad in das 4. Stockwerk. Auch Brennesseltee und andere gesunde Sachen sollen in ihrem Leben eine Rolle gespielt haben.